Vielen Stadionbesuchern wird beim letzten Spiel vor der Winterpause gegen Holstein Kiel etwas aufgefallen sein. Mittig vor dem Block A4 hang über die kompletten ersten 45 Minuten ein „10 Jahre DBS‘09“-Banner. Außerdem erblickte seit jenem Wochenende ein überdimensionales „10 Jahre Blockade“-Graffiti an der Umgehungsstraße Richtung Heidelberg das Licht der Welt. Grund genug für uns das Thema näher zu beleuchten, ist die Situation rund um die Blockade für viel Fans und Außenstehende doch sehr undurchsichtig. Das Interview mit einem Blockade-Mitglied führten wir bereits einen Tag nach dem Spiel noch vor Weihnachten und wurde vorab auf unserer Homepage www.szene1916.de veröffentlicht.
10 Jahre Blockade Sandhausen, wie schnell die Zeit doch vergeht. Erzähle uns doch mal von Anfang an was es sich mit dieser Gruppierung auf sich hat.
Die D-Blockade Sandhausen wurde im Jahr 2009 gegründet und verstand sich gerade zu Beginn als ultraorientierte Nachwuchsgruppe im Schatten der großen Hardtwaldfront. Aufgrund mehrerer Standortwechsel in unserem geliebten Hardtwaldstadion setzte sich schnell der Name „Blockade Sandhausen“ durch, die Abkürzung „DBS“ hielt sich jedoch bis heute.
Wie entwickelte sich die Gruppierung in den darauffolgenden Jahren?
Unsere damals noch tendenziell eher junge Gruppe musste sich der führenden Hardtwaldfront unterordnen, konnte sich jedoch nach wenigen Monaten einen gewissen Respekt verschaffen und war das Sammelbecken für den Nachwuchs innerhalb der Sandhäuser Fanszene. Immer wieder hatte unsere aktive Fanszene, sowohl die Hardtwaldfront, als auch die Blockade, immense Probleme mit dem Verein und der örtlichen Polizei. Es gab Jahre, bei denen wir die Spiele der ersten Manschaft boykottierten. Im Jahr 2010 eskalierte die Situation zwischen Fans, Verein und der Polizei. Nach einem Spiel unserer Amateure in Pforzheim kam es zu teils heftigen Auseinandersetzungen mit der Polizei, weshalb alle Beteiligten im Nachgang ein Hausverbot für unser heimisches Hardtwaldstadion erhielten.
Ein kurzer Einwand: Wie war das Verhältnis zur Hardtwaldfront, gerade zu dieser Zeit?
Sehr gut, ich würde das Verhältnis zur damaligen Zeit als freundschaftlich bezeichnen. Wir unterstützen im darauffolgenden Jahr gemeinsam die Basketball-Mannschaft, die Amateure oder versuchten über Wald und Wiese einen Blick ins Stadion werfen zu können.
Wie ging es anschließend weiter?
Nach dem Rücktritt des Sportlichen Leiters Tobias Gebert zum 31. Mai 2011 und dem Auslaufen unserer Hausverbote kehrten wir ins Stadion zurück. Zu dieser Zeit übernahmen wir als Blockade die Führung innerhalb der Fanszene. Die HF war aufgrund eines verpassten Generationenwechsel nur noch teilweise aktiv, weshalb wir auf uns allein gestellt waren. Nach anfänglicher Überforderung erlebte die Fanszene mit unserer Führung einen tollen Aufschwung. Eine konstante Auswärtsfahrerzahl, ein dauerhafter Support, regelmäßige optische Aktionen und das beliebte Fanzine „Stadionblättel“ zu jedem Heimspiel. Unsere Gruppe hatte auch zu dieser Zeit einen Kern von etwa 20 Mitgliedern, welcher mit unserem Förderkreis schnell auf über 30 anwachsen konnte.
Wie kam es dann dazu, dass die Blockade ab der Saison 2016/2017 immer wieder die Aktivitäten einstellte?
Nach etwa fünf Jahren Führungsarbeit holte uns, ähnlich wie es bei der HF der Fall war, die misslungene Nachwuchsarbeit ein. Unsere Mitglieder wurden älter, waren teilweise für längere Zeit im Ausland, gründeten eine Familie. Genau an diesem Punkt hätten wir unseren Förderkreis aktiv nutzen, junge Mitglieder binden und somit die Altersstruktur senken müssen. Das haben wir verpasst. Arroganz, Sturheit, vielleicht auch ein bisschen Naivität. Gepaart mit einer Sandhäuser Fanszene, die uns kaum unterstützte, Auswärtsspiele häufig links liegen ließ, war dies der Tiefpunkt der DBS. Immer wieder hatten wir den Mut verloren, bäumten uns wieder auf, hatten den Mut verloren und bäumten uns wieder auf. Daher auch die im Nachhinein durchaus belustigenden Stellungnahmen, ein Auf und Ab. Gerade zu dieser Zeit wurde auch nicht mehr regelmäßig supportet. Unsere Interessen verschoben sich bei vielen Begegnungen auf die sogenannte „3. Halbzeit“. Bei gefühlt jedem Heimspiel versuchten wir nach dem Spiel Richtung Gästeparkplatz zu gelangen, total verrückt, wenn man bedenkt, wer uns da teilweise gegenüberstand. Aber wie oben erwähnt, wir waren eben schon immer ein chaotischer, manchmal arroganter Haufen, einfach eine verrückte Meute.
Kam es zu dieser Zeit nicht auch zu einer größeren Auseinandersetzung mit unserem Blau-weißen Nachbarn aus dem Kraichgau?
Ja, das stimmt. Dieses Ereignis beschreibt die eben erwähnte Interessensverschiebung sehr gut. Auf mehrere, unschöne und unnötige Schmierereien von „TSG-Fans“ antworteten wir ziemlich spontan mit einem Besuch in Sinsheim. An einem Spieltag der TSG entschieden wir uns mit 25 Unverbesserlichen in die Nähe der Arena zu fahren. Dort meldeten wir uns bei den uns bekannten Personen, welche nach mehreren Stunden in Überzahl und bewaffnet aufkreuzten. Das hat Ihnen jedoch auch nicht geholfen…
Welche Freundschaften gab es in diesen 10 Jahren?
In den ersten Jahren pflegten wir die bereits existierende Freundschaft zur Crew Eleven Aalen. Nachdem unsere Gruppe einen deutlichen Mitgliederwachstum erfuhr, schlief die Freundschaft etwas ein. Viele Mitglieder konnten mit den Jungs von der Ostalb nicht allzu viel anfangen, weshalb wir entschieden, diese Freundschaft nicht weiter zu pflegen. Dies beruhte auf Gegenseitigkeit, soll aber nicht bedeuten, dass hier Streitigkeiten vorausgingen. Außerdem gibt es bis heute einzelne Kontakte zu verschiedenen Fanszenen, eine Fanfreundschaft pflegen wir als Gruppe jedoch nicht. Manche Mitglieder pflegen die Kontakte zur Schwarzen Elite Aalen und nach Elversberg mit.
Gab es hier nicht auch eine Politik-Diskussion innerhalb der DBS zum Thema Aalen?
Wir wurden aufgrund der Kontakte nach Aalen häufig in die rechte Schublade gesteckt, was uns überhaupt nicht gefiel. Ja, das war auch ein Grund, warum die Freundschaft einschlief und nicht wieder zum Leben erweckt wurde. Unsere Gruppe war und ist antirassistisch und toleriert keine Nazis. Wir haben und hatten Mitglieder mit Migrationshintergrund und sind selbst in unsrem Stadion schon immer konsequent gegen rechte Äußerungen vorgegangen.
Beschreibe uns doch bitte zum Abschluss die aktuelle Situation der DBS und den Begriff „Total Kaos“?
Zunächst einmal sei gesagt: Die Blockade existiert. Sie existiert aber nicht mehr in dem Ausmaß von früheren Zeiten. Die Führung in der Sandhäuser Fanszene haben wir an die Gruppierung „Szene 1916“ abgegeben. In dieser Organisation sind jedoch eine Handvoll Blockade Mitglieder engagiert
Nochmal ein kurzer Einwand: Das heißt hinter der Szene 1916 stecken auch Blockade-Mitglieder?
Naja, teilweise schon. Zehn weitere Personen sind weiterhin Blockade-Mitglied, besuchen die Heimspiele und fahren teilweise auch zu den Auswärtsspielen des SVS. Bezeichnen sich selbst jedoch nicht mehr als „Aktive Ultras“ und sind teilweise körperlichen Auseinandersetzungen nicht abgeneigt. Sie fahren zwar häufig gemeinsam mit der Szene zu den Spielen, sind aber nicht im Dachverband organisiert. Weitere zehn Personen sind mittlerweile im Sitzplatzbereich des Stadions zu finden und haben sich vom aktiven Fandasein verabschiedet. Man sieht also: Die etwa 25 Mitglieder existieren weiterhin, sind jedoch nicht mehr gemeinsam organsiert. Unser Banner „Total Kaos Blockade“ beschreibt eben genau diese verrückte Konstellation und findet in der Regel bei jedem Spiel des SVS den Weg an den Zaun, weil immer Blockade-Mitglieder anwesend sind.
Vielen Dank für die interessanten Einblicke und auch hier nochmal: Alles Gute zu 10 Jahren Total Kaos – Blockade Sandhausen!
Vielen Dank!