In den letzten Wochen hat man in den deutschen Fankurven gehäuft Transparente/Spruchbänder gegen den Mäzen von Hoffenheim, Dietmar Hopp, gesehen. Im Folgenden wollen wir euch die Hintergründe/Beweggründe zu dieser aktuellen „Protestwelle“ näher bringen und uns kritisch mit dieser auseinandersetzen. Um einen gesamtheitlichen Überblick von der Problematik zu bekommen, möchten wir zunächst weit ausholen und dabei auch das Konstrukt der TSG Hoffenheim und die Personalie nochmal näher betrachten.
Schon seit der „Gründung“ der TSG 1899 Hoffenheim Fußball-Spielbetriebs GmbH im Jahr 2005 steht das Verein-Konstrukt TSG 1899 Hoffenheim bundesweit bei Fußballfans in der Kritik. Seit diesem Zeitpunkt sind auch immer wieder Proteste, vor allem von etablierten Vereinen („Traditionsvereinen“), gegen Hoffenheim zu vernehmen gewesen. Diese Proteste sind jedoch nicht nur gegen Hoffenheim, sondern auch bei anderen vergleichbaren Verein-Konstrukten vor allem bei Red Bull zu beobachten. Da im Gegensatz zu den anderen oben genannten Vereinen bei Hoffenheim nicht direkt ein Unternehmen/Konzern dahintersteckt, sondern eine Privatperson, die 96% der Anteile besitzt, führt dies zu einem kanalisierten Protest gegenüber dieser Person – Dietmar Hopp.

Die Person Dietmar Hopp
An dieser Stelle muss vorab ausdrücklich erwähnt werden, dass sich die Proteste keinesfalls gegen die Privatperson Hopp richten, sondern gegen seine Tätigkeit bei der TSG 1899 Hoffenheim. Abseits des Fußballs muss man besonders sein Engagement in den Bereichen Gesundheit, Soziales und Bildung hervorheben. Vor allem durch seine Dietmar-Hopp-Stiftung, die seit 1995 mit rund 600 Mio. Euro diverse Projekte unterstützt, engagiert er sich sozial und gemeinnützig.
Als eine soziale und gemeinnütze Intention bezeichnet Hopp auch die finanzielle Unterstützung des damals in der Kreisliga A spielenden Hoffenheims. Begründet wurde dies mit der gemeinnützigen Verantwortung eines Fußballvereines. Auch als Fußballmäzen war es seine Intention so respektiert zu werden, wie als ein Förderer der Medizin. Seine Investitionen, beginnend im Jahre 1989, sollten lediglich als eine Anfangsinvestition dienen. Nach und nach wolle er sich aus Geschäft herausziehen. Hopp selbst sagte in jüngerer Vergangenheit zu dem Projekt Hoffenheim: „dabei ging es mir nie darum, Geld zu verdienen. Ich habe übrigens auch keins verdient, sondern wollte den Menschen dieser Region, die meine Heimat ist, etwas zurückgeben“. Doch ist er auch als Fußballmäzen ein Wohltäter und handelt nicht aus Eigeninteresse, wie es bei seinen anderen Spenden und Engagements der Fall ist? Das im Jahr 2017 veröffentlichen Buch „Football Leaks: Die schmutzigen Geschäfte im Profifußball“ (von Rafael Buschmann, Michael Wulzinger) lässt glaubhafte Zweifel an dem Saubermann- Image zu.
Der zentrale Punkt ist die im Jahr 2012 gegründete Transfair Rechteverwertungsgesellschaft mbH & Co. KG. Persönlich haftender Gesellschafter war die DH-Holding Verwaltungs GmbH (ehem. Verwaltungsgesellschaft der Golf Club St. Leon Rot GmbH), deren alleiniger Besitzer Dietmar Hopp war. Diese Firma Transfair hielt Anteile an Transferrechten von Spielern der TSG 1899 Hoffenheim und hatte einen ganz banalen Geschäftszweck: Geld am Vereinswechsel von Fußballprofis verdienen. Neben einer Reihe von meist unbekannteren Spielern hatte die Firma auch Rechte an Roberto Firmino. Dieser wurde 2015 für rund 40 Mio. Euro von Hoffenheim zum FC Liverpool verkauft. Von diesem Transfer sind in den Kassen der TSG 1899 Hoffenheim Fußball-Spielbetriebs GmbH jedoch nur rund 8 Mio. Euro hängen geblieben. Die restlichen rund 32 Mio. Euro gingen an die Transfair GmbH. Kurioserweise wechselte zwei Wochen vor diesem Transfer der Eigentümer von Transfair. Neuer Eigentümer war die Comaro Management GmbH von Mariano Maroto Lopez, einem Geschäftspartner und Vertrauten Dietmar Hopps. Auf Nachfragen teilte weder Dietmar Hopp noch Mariano Maroto mit, wieso es zu diesem Schachzug gekommen ist und ob Transfair noch weitere, noch nicht bekannte Spielerrechte besitzt, an denen sie mitverdienen. War der Grund ein Interessenskonflikt, den Hopp zu verbergen hatte?

Des Weiteren muss in diesem Zusammenhang ebenfalls erwähnt werden, dass die DFL im Jahr 2015 Dietmar Hopp gestattet hat 95% der Stimmanteile und 99,99% der Kapitalanteile der TSG 1899 Spielbetriebs GmbH zu übernehmen. Dies bedeutet: Eine einzelne Person hat die kompletten Fäden in der Hand und kann über alles bestimmen. Die Begründung seitens der DFL war, dass er als Mäzen zwei Jahrzehnte lang selbstlos Geld in den Verein gepumpt hat. Kann eine Person, die in undurchsichtige Transfergeschäfte verwickelt ist, aus denen wohl immense Gewinne erzielt wurden, auch im Fußball ein selbstloser Wohltäter sein?

Die aktuelle Protestwelle
Wie bereits zu Beginn beschrieben, gab es seit dem finanziellen und sportlichen Aufstieg Hoffenheims kontinuierlich Proteste. Diese haben nur vereinzelt für mediale Aufmerksamkeit gesorgt. Doch was hat nun zur momentanen, ständig in der Presse präsenten, Protestwelle gegen den Fußballmäzen Dietmar Hopp geführt?

Der Auslöser hierfür war das Verhängen eines Zuschauerausschlusses für den BVB bei den Auswärtsspielen in Hoffenheim (Dauer: 3 Jahre). Dies wurde vom DFB verhängt, nachdem Anhänger der Dortmunder wiederholt Protestaktionen gegen Hoffenheim, insbesondere gegen den Mäzen Hopp durchgeführt haben. Bei diesen Protesten ist auch des Öfteren das Wort „Hurensohn“ gefallen, was durchaus diskutabel ist (hierzu später mehr). Bei dem daraus resultierenden Zuschauerausschluss handelt es sich um eine Kollektivstrafe. Allerdings wurde seitens des DFB 2017 verkündet, vorab auf Kollektivstrafen zu verzichten. Dass Kollektivstrafen schlecht mit deutschen Rechtsgrundsätzen vereinbar sind, liegt auf der Hand: Unschuldige Personen werden für Vergehen, die sie nicht begangen haben, bestraft. Das „Versprechen“ seitens des DFB keine Kollektivstrafen mehr zu verhängen wurde hier klar gebrochen. Kritische Stimmen vermuten, dass dies auf den guten Verbindungen Hopps zu den Funktionären des DFB beruht.

Um zum aktuellen, heiß diskutierten Protest zurückzukommen, muss man mal die einzelnen Hauptelemente, die am häufigsten aufgegriffen werden, thematisieren. Dies soll eine sachliche Erläuterung darstellen und in keiner Weiße die Worte verteidigen.
– Hurensohn: jedem sollte die „biologische“ Bedeutung bekannt sein. Dass diese tatsächliche Bedeutung auf Herrn Hopp nicht zutrifft, sollte allen auch bekannt sein. Diese „krasse“ Formulierung ist mit dem Slogan „Krieg dem DFB“ gleichzusetzen. Abgesehen davon, dass ein Krieg laut Definition nur zwischen zwei Ländern stattfinden kann, wird doch kein Fußballfan einen bewaffneten Konflikt mit dem DFB aufsuchen. Wie eingangs erwähnt, kanalisiert sich der Protest in dem aktuellen Fall auf eine Person.
– Fadenkreuz: das Konterfei Hopps war häufig in einem Fadenkreuz zu sehen. Laut Duden ist die Definition von „jemanden im Fadenkreuz haben“, jemanden scharf beobachten. Im alltäglichen Sprachgebrauch wird dies z.B. auch von staatlichen Instanzen („im Fadenkreuz der Ermittlungen“) verwendet. Sicherlich wurde bei keinem der bisherigen Proteste an einen Aufruf zur Gewalt oder Mord gedacht.
Diese überspitzte, durchaus harte und polarisierende Wortwahl wurde bewusst gewählt, um Aufmerksamkeit zu generieren. Vielen Protestaktionen zuvor (u.a. gegen Hoffenheim) sind „im Sande verlaufen“. Den Missständen wurde keinerlei Aufmerksamkeit geschenkt. Es ist bedauerlich, dass zu solchen Maßnahmen gegriffen werden muss, um Missstände nicht nur im DFB sondern, auch in der Gesellschaft aufzudecken/publik zu machen. Hier ist auch das Thema Rassismus nicht außen vor zu lassen. Werden Spieler, wie z.B. vor kurzem Jordan Torunarigha (Hertha BSC Berlin), durch Affenlaute beleidigt, gibt es keine klare, von dem DFB verfolgte Vorgehensweise. Dies hat zur Folge, dass es nach solchen Vorfällen häufig keine Durchsagen vom Stadionsprecher gibt oder das Spiel unterbrochen wird. Sollten nicht eigentlich die Minderheiten unterstützt werden und sich für sie stark gemacht werden?

Im Zuge des medialen Aufruhrs der letzten Tage bzw. Wochen, hat man immer wieder feststellen müssen, dass die Schmähungen gegen Hopp mit Rassismus und Diskriminierung gleichgesetzt werden. Bei einem Blick auf die Definition der beiden Begriffe lässt sich dies doch sehr schnell entkräften. Bei einer Diskriminierung wird eine Person aufgrund ihrer ethnischen Herkunft, Weltanschauung, Sprache, etc. beleidigt, Rassismus ist eine Gesinnung oder Ideologie, nach der Menschen aufgrund weniger äußerlicher Merkmale kategorisiert, verurteilt oder diskriminiert werden. Aufgrund dessen ist der Unterschied zwischen Rassismus/Diskriminierung und der aktuellen Situation eindeutig. Das Wort „Hurensohn“ ist, laut Gesetz, eindeutig eine Beleidigung. Dies ist ein Unterschied, den es nicht zu vermischen gilt!
Eine gewisse Doppelmoral ist in der aktuellen Thematik von Verantwortlichen seitens der DFL, des DFB und auch Dietmar Hopps festzustellen. Jeder sollte noch im Hinterkopf haben, dass Timo Werner (RB Leipzig) ebenfalls mit „Hurensohn“ tituliert wurde bzw. noch immer wird. Einen Spielabbruch, Anzeigen, medialen Aufruhr oder gar Kollektivstrafen hatte das nie zur Folge. Wieso erst wenn ein einflussreicher Geldgeber mit diesem Schimpfwort belegt wird?

Des Weiteren hat man keine Kritik seitens Dietmar Hopps oder anderen Verantwortlichen von Hoffenheim an Banner/Doppelhaltern der eigenen „Fans“ mit den Aufschriften „Sandhausen Schweine“ oder „Fotzen Freiburg“ vernehmen können. Auch an den oben genannten Sprechchören gegen Timo Werner denunzierte der Hoffenheimer Anhang diesen als „Hurensohn“. Doch auch hier blieb die Reaktion aus…
Letztendlich geht es den Fanszenen mittlerweile nicht mehr vorrangig darum, Dietmar Hopp zu beleidigen. Viel eher hat der DFB durch seine neuerliche Linie eine Dynamik des Widerstandes innerhalb der aktiven Fanszene entwickelt. Spielunterbrechungen aufgrund von Beleidigungen auf der einen Seite, fehlendes Handeln bei rassistischen Vorfällen auf der anderen Seite. Spruchbänder gegen einen wohlhabenden Investor vs. diffamierende Gesänge gegen Spieler auf dem Rasen. Viel mehr wird Dietmar Hopp zum Symbol der aktuellen Entwicklung gemacht, weshalb neben dem DFB mit seiner undurchsichtigen Linie auch er als einzelne Person, als Mäzen der TSG 1899 Hoffenheim in der Schusslinie steht.

Nach der relativ objektiven Schilderung der Ereignisse und zu beachtenden Punkte möchten wir noch ein Fazit anhand unserer Meinung ziehen. Der DFB ist gerade dabei, die Gratwanderung zwischen einer lockeren und einer zu strengen Linie zu verlieren. Wir können den Gedankengang der Befürwortung einer Unterbrechung aufgrund einer Beleidigung irgendwo verstehen – auch wenn wir ihn nicht teilen. Spielunterbrechungen aufgrund von kritischen Äußerungen wie beispielsweise bei Union Berlin am vergangenen Sonntag („2017 Kollektivstrafen abgeschafft, nun Hopp hofiert und zwei Schritte zurück gemacht“) sind allerdings ein absolutes No-Go und ein Schritt in die ganz falsche Richtung. Und das in einem Land, in dem die Meinungsfreiheit ein unglaublich wichtiges und im Grundgesetz festverankertes Gut ist. Leider vermischen unsere Medien in ihrer Berichterstattung auch die Vorkommnisse rund um Hopp und die rassistischen Vorfälle der letzten Wochen. Dass beide Sachverhalte absolut nichts miteinander zu tun haben, wird dabei außer Acht gelassen oder sogar versucht, diese gleichzusetzen. Sie haben sogar nicht nur nichts miteinander zu tun, sondern sind auch ein Arschtritt in die jahrelange Arbeit vieler Ultragruppierungen im Kampf gegen rechtes Gedankengut und Rassismus. Wenn dann auch noch ein Dietmar Hopp Beleidigungen mit den „dunklen Zeiten“ (-> NS-Zeit) vergleicht, geht auch das letzte Stück Verhältnismäßigkeit verloren. Es wird ein Vergleich mit einer Zeit aufgestellt, in der Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe, ihrer Herkunft, ihrer religiösen Zugehörigkeit umgebracht wurden. Eine Zeit, in der es eben keine freie Meinungsäußerung gab. Heute stehen aktive Fans auf, um auf die Entwicklung in ihrem Lieblingssport, in ihrem Lebensinhalt (ja, für einige ist es mit das wichtigste im Leben und nein, das sind keine Chaoten, die beim Fußball nichts verloren haben) zu kritisieren. Sie tun es auch unter der Gürtellinie, vorrangig, um erhört zu werden. Und hier kommen wir wieder auf den Aspekt der Gratwanderung zurück: Auch die Ultras/ aktiven Fanszenen müssen diesen in den kommenden Wochen und Monaten meistern. Sind Beleidigungen unter der Gürtellinie wirklich nötig oder kann man die mittlerweile erreichte Aufmerksamkeit in Zukunft auch für eine sachliche, kreative Auseinandersetzung und weniger für beleidigende Proteste nutzen? Der Fußball sollte unserer Meinung nach authentisch (und somit auch in gewisser Weise dreckig) bleiben und auch Beleidigungen aus der Emotion heraus gehören unweigerlich dazu. Allerdings darf sich dabei nicht nur auf eine Person eingeschossen werden. Irgendwann müssen die Beleidigungen dann auch wieder in konstruktive Aktionen übergehen. Wann dieser Zeitpunkt kommen wird, hängt auch viel vom Vorgehen des DFB in den kommenden Wochen ab. Eine weiterhin unverhältnismäßige Linie wird wohl kaum zu einer Beruhigung der Situation beitragen. Es gilt jedenfalls, sich gegen die wieder eingeführten Kollektivstrafen aufzulehnen!