Servus Sandhäuser,
mit dem heutigen Mittwoch beginnt auch für die deutsche Nationalmannschaft offiziell die absurde WM in Katar. Diesen Umstand möchten wir dafür nutzen, erneut zu einem Boykott sämtlicher Begegnungen dieser WM aufzurufen. Im Folgenden laden wir dementsprechend unseren Text aus der letzten Spieltagsausgabe vom Hopfeblatt mit ausführlichen Entwicklungen, Hintergründen und Skandalen hoch, der den Inhalt hinter dem plakativen Banner „Katar Boykottieren“ erläutert:
Part 1:
Am 2. Dezember 2010 wurde von der FIFA in Zürich bekannt gegeben, dass die 22. Fußballweltmeisterschaft in Katar ausgetragen werden soll. Somit wird nach der der Handball-Weltmeisterschaft 2015, Turnweltmeisterschaften 2018 & Leichtathletik-Weltmeisterschaft 2019 nun die nächste Sport-Großveranstaltung im Wüstenstaat Katar stattfinden. Die Anhäufung von Sport-Großveranstaltungen ist etwas verwunderlich für einen Wüstenstaat, der nicht größer als Schleswig-Holstein ist und dazu nicht allzu besonders als sportaffin gilt. Im Folgenden wird thematisiert, warum Katar anstrebt, Gastgeber von solchen Veranstaltungen zu sein und wieso solche Veranstaltungen – wie man es bei uns so schön sagt – ein gewisses „Gschmäckle“ mit sich bringen.
Katar ist ein Emirat am Persischen Golf, das auf einer Halbinsel gelegen und auf dem Landweg ausschließlich über Saudi-Arabien erreichbar ist. Zu sehr großen Reichtum gelang Katar vor allem durch sein Erdöl- und Erdgas Vorkommen. Die Staatsreligion ist der Islam und die Scharia ist die Hauptquelle der Gesetzgebung (Gott gilt als oberster Gesetzgeber). Seit 2017 spitzten sich die historisch bedingten Spannungen mit den Nachbarländern Katars wieder zu. Saudi-Arabien verhängte eine wirtschaftliche Blockade über Katar. Die VAE, Bahrain und Ägypten schlossen sich an und setzten ihre Beziehungen mit Doha, der Hauptstadt Katars ebenfalls aus. Da Katar dem wesentlich größeren Saudi-Arabien militärisch eindeutig unterlegen ist, wird eine Strategie der „Soft Power“ / eine Art „Stellvertreter-Krieg“ verfolgt: milliardenschweren Investitionen in Kultur, Wissenschaft und Fußball. Im Letzteren vor allem mit Sponsoring beim FC Bayern München als auch durch die Übernahme durch Paris Saint-Germain.
„Der Fußball ist ein Spiegel der Spannungen am Golf“, sagt Jassim Matar Kunji, früher Torhüter in der katarischen Liga und nun Journalist beim Fernsehsender Al Jazeera. Damit spielt er vor allem auf die Investitionen, die durch arabische Länder in Fußballvereine getätigt werden an (VAE Manchester City; Saudi-Arabien, Newcastle United; Dubai, Viertligist Notts County). Doch nicht nur im europäischen Fußball findet dieses Kräftemessen statt. Es verlagert sich immer mehr auf die internationale Bühne. So versuchen immer mehr arabische Länder große Sportveranstaltungen in ihr Land zu holen. Dies hat neben der Festigung der Machtstellung (Soft Power) im arabischen Raum auch den Vorteil, dass durch die Austragung solcher Veranstaltungen ein sogenanntes „Greenwashing“ erfolgt; das Land soll besser dastehen, als es tatsächlich ist und die internationale Gemeinschaft soll es als besonders fortschrittlich, weltoffen und verantwortungsbewusst wahrnehmen. Das dies ein gängiges politisches Mittel ist, um das Image eines Landes aufzupolieren, hat die Geschichte bisher bewiesen.
Doch was ist nun die Problematik mit der Fußballweltmeisterschaft 2022 in Katar? Schon bereits bei der Abstimmung im Jahr 2010 soll es zu Unregelmäßigkeiten gekommen sein. Die „Sunday Times“ will mit versteckter Kamera gefilmt haben, wie die Vertreter von Tahiti und Nigeria ihre Stimme für die WM-Vergabe zum Kauf anboten. 2014 erhärtete sich dieser Korruptionsverdacht, als erneut die „Sunday Times“ berichtete, dass mehrere Millionen US-Doller geflossen seien, um die WM 2022 nach Katar zu holen.
Ein weiteres „Gschmäckle“, dass die WM in Katar mit sich bringt, sind die klimatischen Bedingungen vor Ort. Fand eine Fußball-Weltmeisterschaft immer in der Sommerpause der nationalen Ligen statt, stellte sich dies in Katar als Problematik heraus. Bei Temperaturen in den Sommermonaten von über 45 Grad und einer Luftfeuchtigkeit von bis zu 85 % ist es eine gesundheitliche Gefahr für alle Spieler, 90 Minuten oder länger auf dem Platz zu stehen. Auch die FIFA erkannte das Problem und verlagerte 2015 die WM kurzerhand in die Wintermonate. Allerdings hat es auch hier Tageshöchsttemperaturen von knapp 30 Grad. Um auch diesen Temperaturen entgegenzuwirken, ist im Khalifa International Stadium eine Klimaanlage installiert, die das ganze (!!) Stadion runterkühlen soll. Und das wohlgemerkt in Zeiten der globalen Erwärmung…
Auch das Thema Stadien ist ein kritisches, wenn nicht sogar das kritischste Thema in Verbindung mit der WM in Katar. Katar gilt bekannterweise nicht als Fußball-Land und besitz daher nicht über eine entsprechende Infrastruktur (Stadien, Hotel, Straßen, ÖPNV etc.) um ein Event wie eine Fußball-WM durchführen zu können. Aus diesem Grund muss eine entsprechende Infrastruktur bis zur WM 2022 „aus dem Boden gestampft“ werden. Das Land ist im Allgemeinen, vor allem aber bei Bauvorhaben, stark vom Einsatz von Gastarbeitern abhängig. Es gibt leider keine verlässlichen Zahlen diesbezüglich; allerdings sprechen diverse Quellen von einer Gastarbeiterquote von 80 % – 90 % im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung Katars. Für die ausländischen Gastarbeiter, hauptsächlich aus armen Ländern wie Bangladesch, Indien, Nepal und Pakistan, ist das Kafala-System eine große Problematik. Das Kafala-System ist ein Bürgschaftssystem, das in den arabischen Staaten weit verbreitet ist. Dieses System bindet den ausländischen Gastarbeit stark an seinen katarischen Arbeitgeber. Im Folgenden werden die wichtigsten Punkte kurz dargestellt:
Der Bürge (Kafīl), meist ein katarisches Unternehmen, kümmert sich um Einreisebestimmungen, Arbeitserlaubnis und weitere bürokratische Formalitäten. Für diese Dienstleistung verlangt er von den Gastarbeiten eine finanzielle Gegenleistung. Da der Gastarbeiter dies meist nicht bezahlen kann (teilweise das Dreifache eines Jahreslohns in seinem Heimatland), muss er sein Grundstück in seinem Heimatland an den Kafīl verpfänden. Daher ist der Gastarbeiter genötigt, seine Schulden beim Kafīl abzuarbeiten, damit seiner Familie im Heimatland nicht Haus und Hof (häufig die einzige Lebensgrundlage) weggenommen werden. Sobald der Gastarbeiter in Katar angekommen ist, wird ihm sein Reisepass abgenommen und erst nach Vertragsende wieder ausgehändigt. Eine legale Ausreise ohne die Zustimmung seines Arbeitgebers ist somit nicht möglich. Allerdings gehen die Rechte des katarischen Arbeitgebers noch weiter. Ohne die Zustimmung dessen ist es dem Gastarbeiter nicht gestatten, den Arbeitgeber zu wechseln. Er ist somit für die Laufzeit des Kafala (meist zwei bis fünf Jahre) seinem Arbeitgeber komplett ausgeliefert.
Darüber hinaus gibt es in Katar keine mit der westlichen Welt vergleichbaren Arbeitsschutzgesetze oder staatliche Institutionen, die sich für die Rechte der Arbeiter einsetzen. Dies und das oben beschriebene Abhängigkeitsverhältnis des Gastarbeiters vom Kafīl wird von den (meisten) Unternehmen der Baubranche ausgenutzt. Häufig wird davon berichtet, dass Gastarbeitern der Lohn gekürzt oder monatelang nicht überwiesen wird. Dies bleibt ohne Konsequenzen für den Arbeitgeber. Durch das ausbleibende Geld können die Gastarbeiter ihre Familie im Heimatland nicht unterstützen, ihren „Kredit“ beim Kafīl nicht tilgen und auch keine Lebensmittel kaufen. Daher sind sie vollkommen auf die Lebensmittelversorgung durch den Kafīl angewiesen. Vermutlich aus Kostengründen sollen die Nahrungsmittelrationen sehr dürftig ausfallen und nicht das Kaloriendefizit der körperlich harten Arbeit ausgleichen. Somit ist Hunger unten den ausländischen Gastarbeitern keine Seltenheit. Des Weiterensind die Gastarbeiter bezüglich ihrer Unterkunft ebenfalls dem Kafīl schutzlos ausgeliefert. Aufgrund des fehlenden Geldes können sie sich keine eigene (Miets-) Wohnung leisten und müssen in die Quartiere der Arbeitgeber ziehen. Werden ausländischen Journalisten, die sich bei der katarischen Regierung anmelden, saubere und schöne Muster-Wohnanlage gezeigt, konnte „Sportinside“ per versteckter Kamera die wahren Wohnzustände in den Arbeiterunterkünften zeigen: Schimmel, Dreck, tote Kakerlaken, mangelhafte sanitäre Anlagen, beengte Schlaf-/Wohnräume, mangelhafte Trinkwasserversorgung…
Auch die Arbeitsbedingungen auf den Baustellen der WM 2022 sollen katastrophal sein. So berichtet ein Gastarbeiter in einem Interview gegenüber dem Spiegel, dass er „von morgens sechs bis nachts um zehn, sieben Tage in der Woche“ arbeiten muss. Bei Temperaturen von über 40 Grad ist eine körperliche Arbeit auf einer Baustelle im wahrsten Sinne des Wortes tödlich. Die britischen Zeitung „The Guardian“, die viel investigativen Journalismus zu diesem Thema betrieben hat, berichtete Anfang 2021, dass seit der WM-Vergabe 2010 an Katar rund 6.500 Gastarbeiter auf Baustellen aufgrund von Hitze, plötzlichen Herztod und Überbelastung ums Leben gekommen sind. Von Amnesty International veröffentlichte Zahlen sind allerdings noch gravierender. So spricht die Organisation von 15.021 toten Gastarbeitern zwischen 2010 und 2019 und beruft sich dabei auf offizielle Zahlen der katarischen Regierung. Allerdings wurde in 70 % der Fälle keine Angaben zu Todesart und Todesumstände gemacht. Wieso dies der Fall ist, bleibt bis heute ungeklärt und unkommentiert vom katarischen Staat.
Abschließend darf auch nicht unerwähnt bleiben, dass vieles ohne die Investigativ-Journalisten und den „redewilligen“ Gastarbeitern nicht ans Tageslicht gekommen wäre. Ein Gastarbeiter setzt bei einem nicht autorisierten Gespräch mit ausländischen Journalisten seine Freiheit und durchaus auch sein Leben aufs Spiel. Journalisten müssen bei einer offiziellen Einreise ein Dokument unterzeichnen, mit dem sie sich verpflichten, nicht genehmigte Informationen nicht zu verbreiten oder sich illegal Informationen zu beschaffen. Bei Zuwiderhandeln ist es nicht selten, dass (ausländische) Journalisten teilweise tagelang festgehalten werden. Meinungs- & Pressefreiheit sieht anders aus.
Zusammenfassend lässt sich eigentlich zu keinem anderen Schluss kommen, als zu sagen, dass die Gastarbeiter, die die WM 2022 ermöglichen, in einem sklavenähnlichen Verhältnis von den katarischen Unternehmen ausgenutzt werden. Sowohl der katarischen Regierung als auch der FIFA und deren Verantwortlichen sind diese Missstände bekannt. Von Katar gibt es keine offiziellen Statements zu den oben aufgeführten Menschenrechtsverletzungen. Im Gegenteil; durch Propaganda- und Werbevideos wollen sie durch „Greenwashing“ das Image des Landes aufbessern. Hierfür soll der katarische Staat auch nicht davor zurückschrecken, möglichst viele Gastarbeiter während der WM außer Landes zu schicken. Aus einem katarischen Regierungsdokument, dass dem „Sportstudio“ (ZDF) vorliegt, geht hervor, dass der Staat die Unternehmen auffordert, einen Plan zu erstellen, möglichst viele Gastarbeiter während der WM in ihre Heimatländer zu schicken. Die Reisekosten sind durch die Gastarbeiter zu tragen, die sich diese jedoch u.a. aufgrund ausbleibender Lohnzahlungen nicht leisten können. Alles für eine sauber wirkende Großveranstaltung. Und was für Maßnahmen leitet die FIFA ein? Bisher hat die FIFA keine konkreten Schritte gegen die obengenannten Menschenrechtsverletzungen eingeleitet. Für eine Organisation, die in ihren Statuten folgendes stehen hat: „Die FIFA bekennt sich zur Einhaltung aller international anerkannten Menschenrechte und setzt sich für den Schutz dieser Rechte ein“ (Art. 3: Menschenrechte) ist das bisherige Handeln von Gianni Infantino und Co. beschämend und konträr zu den eigenen Compliance Guidelines…
Part 2:
Seit dem Verfassen des oben stehendenTextes ist nun gut ein Jahr vergangen und die WM steht unmittelbar vor der Tür. Hat sich bei den angeprangerten Zuständen in Katar innerhalb des letzten Jahres etwas geändert oder wurde der alte Kurs von der katarischen Regierung weiterverfolgt? Auf was müssen sich die Fans bei einem Spielbesuch gefasst machen? Auf diese und weitere Fragen soll in den folgenden Abschnitten weiter eingegangen werden:
„Also, ich hab´ noch keinen einzigen Sklaven in Katar gesehen. Die laufen alle frei rum. Weder in Ketten noch gefesselt oder mit irgendwelcher Büßerkappen auf dem Kopf (…) Vom arabischen Raum habe ich mir ein anderes Bild gemacht, und ich glaube, mein Bild ist realistischer.“ Diese Aussage wurde 2013 vom „Kaiser“ Franz Beckenbauer getroffen. Selbstverständlich laufen dort keine (Gast-) Arbeiter mit Ketten über Baustellen und es gibt auch keine Auspeitscher, die die Arbeiter zu Höchstleistungen antreiben sollen. Die u.a. von Menschenrechtsorganisationen kritisierte „Sklaverei“, besser gesagt Zwangsarbeit bezieht sich auf das in Katar geltende Kafala-System. Der Arbeiter ist der Willkür des Kafīl (Arbeitgeber) nahezu ungeschützt ausgeliefert. Doch hat sich in diesem Bereich etwas zum Positiven verändert? Nach wie vor berichtet die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch von Ausbeutung der Arbeitskräfte, Lohnmissbrauch, später/ausfallenderZahlung der Löhne und schlechtenLebensumständen. Aufgrund dessen sind, trotz der Risiken, im August 2022 zahlreiche Gastarbeiter auf die Straße zum protestierengegangen. Folglich kam es zu einigen Festnahmen und rund 60 Gastarbeiter wurden direkt aus Katar abgeschoben. Die restlichen Inhaftierten sitzen aufgrund „Verletzung der katarischen Gesetze zur öffentlichen Sicherheit“ in Haft und ihnen wird die „freiwillige Rückreise“ vereinfacht. Des Weiteren soll möglichst viele Gastarbeitern während der WM das Land verlassen. Der Hintergrund dürfte wohl sein, dass eine Begegnung mit Fußballtouristen und Berichterstattern somit unterbunden wird. Dadurch haben viele Gastarbeiter die Angst, dass die WM als Vorwand benutzt werde, um sie ohne Zahlung ihrer vollen Löhne und Leistungen loszuwerden. Dies ist zunächst nur eine Befürchtung der Gastarbeiter, aber dennoch ist das Eintreten dieser sehr wahrscheinlich.
Ein weiteres, nach wie vor existierendes Problem ist, dass nur katarische Staatsangehörige das Recht haben, Arbeitnehmervereinigungen oder Gewerkschaften zu gründen. Aufgrund dessen ist den Gastarbeit das Recht auf Vereinigungsfreiheit und die Gründung von Gewerkschaften verwehrt. Somit sind die Gastarbeiter nach wie vor den Arbeitgebern quasi schutzlos ausgeliefert. Hier hat sich bis wenige Wochen vor der WM keine positive Wendung abgezeichnet. Das „realistische Bild“ Franz Beckenbauers scheint somit nicht ganz der Realität zu entsprechen. Aber vielleicht will man das auch gar nicht sehen, da man ja auch als FC Bayern so gut mit Katar zusammenarbeitet. Aber das ist ein ganz anderes Thema… Solange der „Rubel rollt“ scheinen sich sowohl FIFA- als auch Bayernfunktionäre nicht groß für die Menschenrechtsverletzungen in Katar zu interessieren. Diese Mentalität spiegelt sich auch in einer der jüngsten Aussagen des FIFA-Präsidenten Gianni Infantino wider. In einem offenen Brief an die 32 Teilnehmerländer der WM plädierte Infantino dafür, dass auf politische Debatten während des Turniers verzichtet werden soll und nicht zugelassen werden soll, „dass der Fußball in jeden ideologischen oder politischen Kampf hineingezogen wird, den es gibt.“
Um ein annähernd vollständiges Bild darstellen zu können, ist es auch wichtig auf die positiven Tendenzen im Umgang der Gastarbeiter zu schauen. Im Laufe des Jahres 2022 wurde die Stimme seitens Menschenrechtsorganisationen nach Entschädigungsfonds für die ausgebeuteten Arbeiter auf WM-Baustellen immer lauter. Immerhin hat nun die FIFA (verhalten) darauf reagiert. Sie kündigt Gesprächsbereitschaft an und FIFA-Sprecher Bryan Swanson bestätigte Mitte Oktober, dass es Gespräche „über Initiativen, von denen Gastarbeiter in Katar noch weit nach der WM profitieren werden“ gibt. Weitere Details wurden nicht genannt. Dies ist immerhin schon ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Aber es muss weiterhin beobachtet werden, wie ernst die FIFA die Aussagen selbst sieht und wie sehr sie in diesem Bereich etwas forcieren möchte. Sollte dies in dieser Art durchgesetzt werden, ist das definitiv ein Schritt in die richtige Richtung, um das ertragene Leid und fehlenden Lohnzahlung etwas zu mildern. Es wäre auch ein Eingeständnis der FIFA, dass es nach wie vor katastrophale Menschenrechtsverletzungen im Gastgeberland Katar gibt. Allerdings bekämpft diese Maßnahme nur die Symptome, nicht die Krankheit, u.a. das Kafala-System, an sich.
Sollte man sich als Fan, Schlachtenbummler oder Fußballtourist nach Katar verirren, um sich ein WM-Spiel anzuschauen, kann man auf keinen Fall mit dem gleichen Erlebnis wie in Deutschland bzw. Europa rechnen. Für viele gehört das ein oder andere obligatorische Bier Fußballspiel dazu, doch in Katar ist Trunkenheit und der Konsum von Alkohol in der Öffentlichkeit verboten. Zwar wird während der WM dieses Gesetz aller Voraussicht nach aufgelockert. Trotzdem soll Alkohol nur im direkten Umkreis des Stadions ausgeschenkt werden, im Stadion soll es nur alkoholfreies Bier geben. In den Städten gibt es ansonsten nur bestimmte Restaurant und Bars, die Alkohol ausschenken dürfen. Etwas drastischer gestaltet sich die Lage in Katar rund um das Thema Liebe bzw. Geschlechtsverkehr. Das Auswärtige Amt schreibt hierzu auf der Website: „Das Strafrecht in Katar ist geprägt durch islamische Moralvorstellungen. Es sollte Reisenden bewusst sein, dass homosexuelle Handlungen und nichtehelicher Geschlechtsverkehr verboten sind und strafrechtlich geahndet werden.“ Homosexuellen Paaren und Paaren, die nicht verheiratet sind, droht nach katarischem Recht bei Zuwiderhandlung bis zu sieben Jahre Haft.
Zur Überwachung der Gesetze nutzen die katarischen Behörden intensiv digitale Technologien. Hiervor warnt auf das Auswärtige Amt: „Auch der flächendeckende Einsatz von Videokameras im öffentlichen Raum und die biometrische Erfassung mittels Gesichtsscanner und Bildabgleich bei jeder Ein- und Ausreise gehören dazu. In vielen Fällen entspricht dies nicht dem deutschen bzw. europäischen Verständnis von Datenschutz.“
Um trotzdem Fans, vor allem aus westlich geprägten Ländern anzuziehen und das Image des Landes & der WM etwas aufzubessern, hat sich der katarische Staat dazu entschieden, Reisepakte zu verschenken. Dieses Reispaket enthält laut dem öffentlich-rechtlichen „NOS“ (Niederlande) sowohl die Flüge als auch die Kosten für die Unterkünfte. Als Gegenleistung sollen die ausländischen Fans den Emirat während ihres Aufenthaltes als gutes Gastgeberland dastehen lassen und sich natürlich an den Verhaltenskodex während des gesamten Turniers halten. Des Weiterenwerden sie aufgefordert, kritische und beleidigende Kommentare anderer Nutzer zu melden. Somit geben die Betroffenen ihr Recht auf freie Meinungsäußerung ab. Unterstreicht wird dies auch damit, dass Einträge/Posts in sozialen Netzwerken, die nicht den Vorgaben entsprechen, entfernt werden können. Sollte man gegen die von Katar auferlegten Regeln verstoßen, wird die Reise gecancelt und alle Kosten müssen selbst getragen werden.
Auch bei Thema Pressefreiheit hat sich in den letzten Monaten nichts Gravierendes geändert. Der „Guardian“ berichtet, dass es seitens der katarischen Regierung eine Auflagenliste gibt, die unterschrieben werden muss, um Drehgenehmigungen zu bekommen. Diese Auflage sieht vor unter anderem vor, dass es verboten ist,Einheimische in ihren Privaträumen zu filmen. Dies gilt ebenso für Unterkünfte, in denen Gastarbeiter untergebracht sind. Zudem gebe es Filmverbote in Regierungsgebäuden, Kirchen, Universitäten, Krankenhäusern und bei Privatunternehmern. Dies kann man durchaus als Zensur einstufen. Allerdings verteidigt sich Katar und behauptet, dass die Regeln für Fernsehsender mittlerweile auf ihrer Webseite aktualisiert und dadurch gelockert wurden. Darunter falle etwa die Streichung einer Vorgabe für Journalisten, „bestätigen und zustimmen“ müssen, nicht über bestimmte Themen zu berichten. So war es Journalisten vorher verboten, Berichte zu verfassen, die „unangemessen oder beleidigend für die katarische Kultur und die islamischen Grundsätze“ sein könnten. Zwar verbieten die Regelungen nicht die Berichterstattung über kritische Themen, allerdings dürfte es die Untersuchung der gemeldeten Missstände erheblich erschweren – etwa die Ausbeutung und die Lebensumstände der Gastarbeiter. Somit kann man zu dem Schluss kommen, dass sich zwar oberflächlich etwas geändert hat, jedoch eine vollumfängliche Berichterstattung aus Katar nach wie vor nicht möglich ist. Von freier Berichterstattung könne keine Rede sein, kritisieren westliche Medienvertreter. Sie fürchten sich vor Konsequenzen.
Weitere (kritische) Updates gibt es in regelmäßigen Abständen durch die „Sportschau“. In der mehrteiligen Doku Serie „Katar – WM der Schande“ wird ausführlich auf die Bedingungen vor Ort eingegangen.
Der oben genannte Text soll für jeden einen Denkanstoß geben, ob er die Fußball-WM 2022 unterstützen möchte oder diese lieber boykottieren möchte. Der Boykott von Einzelpersonen oder kleinen Gruppen mag wie der Tropfen auf dem heißen Stein erscheinen, aber wie sagt man so schön: „steter Tropfen höhlt den Stein“. Schlechte Einschaltquoten beispielsweise könnten sich mittel- oder langfristig auch bei der FIFA bemerkt machen, da etwa 95% der Einnahmen der Organisation aus dem Verkauf der Fernseh-, Marketing-, Hospitality und Lizenzrechte resultiert.
Wir positionieren uns uneingeschränkt zu einem Boykott dieser absurden Weltmeisterschaft!
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